Die letzten 5 km bis Sauvelade gehen Jo, ein 61-jähriger Bretone,
und ich zusammen. Die Aussicht auf ein gutes Essen ist so verlockend,
daß wir schwer enttäuscht über die geschlossene Herberge sind.
Nachdem wir erstaunliche 50 km hinter uns haben, sollen wir noch
13 weitere gehen? Ich könnte ja jederzeit wild campen, aber Jo
möchte ein Bett und alleine lasse ich ihn jetzt nicht. Wir teilen
uns die letzen Stücke Käse, Leberwurst und Schokolade; leider
ohne Brot. Nach insgesamt 15 Stunden erreichen wir um 22 Uhr 30
die Pilgerherberge in Navarrenx, müde und hungrig - aber auch
noch so fit, daß wir am nächsten Tag einen Marathon hinlegen.
Beim Jakobsweg geht es nun sicherlich nicht darum möglichst große
Tagesentfernungen hinzulegen, aber ich bin inzwischen gut eingelaufen
und möchte testen, wie fit ich bin. Dabei schien meine "Wanderkarriere"
frühzeitig beendet, als sich vor Jahren herausstellte, daß ich
einen Rucksack nicht auf der Hüfte tragen kann - sonst bekomme
ich eine Knochenhautentzündung am Beckenknochen. Dann hörte ich
von GoLite. und ich beschloß den Jakobsweg zu gehen. Für die 1.500
km von Le Puy in Frankreich nach Santiago de Compostella in Spanien
habe ich 2 Monate Zeit.
Mein Rucksack, den ich abwechselnd auf einer Schulter trage,
wiegt ohne Wasser und Lebensmittel nur 5kg, seit mein alter Freund
Hannes mich begleitet und wir uns Zelt und Kochausrüstung teilen.
Wie geht das? Die GoLiteartikel sind superleicht, der Rucksack
wiegt 350g, das 2er-Zelt 1.080, die Regenkleidung 480 und der
Regen- und Sonnenschirm 250. Da ist der warme Apache Schlafsack
mit 970g ein Schwergewicht, die abgeschnittene Evazote Isomatte
überzeugt dagegen mit 150g, das Victorinox Mini wiegt nur 28 und
die Zahnbürste habe ich natürlich abgebrochen.
Das geringe Gewicht führt auch schon mal zu bizarren Situationen.
An einer Steigung kurz hinter Logrono überholt uns ein Radfahrer,
der seine gelben Regenüberzüge kunstvoll mit dem roten Jakobskreuz
bemalt hat. Da ich ungern Wege doppelt gehe und auch meinen Rucksack
jeden Meter selber trage, jogge ich kurzentschlossen hinter ihm
her, hole im Laufen meine Kamera hervor und mache von dem verdutzen
Radler ein Foto.
In Triacastella, 130km vor Santiago, führt eine deutsche Krankenschwester
die Pilgerherberge. Sie bietet sich gleich als Spezialistin für
Blasenbehandlungen an und ist fast schon enttäuscht, daß wir noch
nicht einmal alte Narben vorweisen können.
Der Jakobsweg hat mir so gut gefallen, daß für den nächsten
Sommer eine Steigerung ansteht. Mein leichter Rucksack und ich
werden im Sommer als Betreuer einer Jugendgruppe eine mehrtägige
Wildniswanderung in Mittelschweden unternehmen. Durch das Mehrgewicht
an Lebensmitteln werden es anfangs unbarmherzige 10kg sein, aber
Tag für Tag werde ich mich wieder meinem Lieblingsgewicht nähern.
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