Anmerkung von Andi: Die Pionierfahrt war die erste Radtour und
der folgende Bericht ist nicht als typisch zu sehen, da er einen
extrem langen Fahrtag beschreibt und das Trampen zweier Schülerinnnen.
Inzwischen sind die Tagesstrecken grundsätzlich kürzer, da es
sonst für manche (Mädchen) zu schwierig wird. Bei "Unterbeschäftigung"
fährt mal eine Kleingruppe weit über 100 km und trifft abends
wieder mit den anderen zusammen. Bei der Überraschungsfahrt (2002
- Bericht folgt in Kürze) sind alle Schüler die gesamte Strecke
mit dem Fahrrad gefahren.
Von Essex nach Twentynine Palms (Joshua Tree), CA
Morgens. Ich wache auf und kann noch leicht den "Gestank" von
Daniels Deodorant riechen, das er gestern Nacht, unter lautem
Protest von Sarah und mir, im Zelt versprüht hatte. Ein Blick
zu Sarah genügt mir um zu wissen, daß sie genauso wenig Lust hat,
heute auch nur eine Meile zu fahren. Von den Anderen war noch
kein Ton zu hören, dauerte aber bestimmt nicht mehr lange und
dann sind unsere 5 Biker hellwach und topfit für den heutigen
Tag. Einen Moment überlege ich; hatte Andi gestern wirklich noch
gesagt, daß wir heute nach Twentynine Palms, Joshua Tree, fahren
wollten? Allein der Gedanke daran macht es mir auch nicht leichter
aufzustehen, zu frühstücken und loszufahren. Oh shit! Mir fällt
ja noch ein, daß ich unser zwei Töpfe spülen muß, weil ich es
gestern nicht mehr geschafft habe. Mühsam und etwas wackelig krieche
ich aus unserem Zelt und stelle fest, daß super Wetter ist. Blauer
Himmel, Sonne, was will man mehr, frage ich mich. Moment mal....wo
sind wir hier eigentlich? Gestern Nacht, als wir hier ankamen,
konnte man nichts mehr erkennen, weil es schlichtweg zu dunkel
war. Geil, wir hatten auf einem Parkplatz gezeltet, wo gleich
nebenan ein Schrottplatz ist. Das war deswegen so geil, weil Sarah
und ich seit ein paar Tagen unsere Vorliebe für Autonummernschilder
entdeckt hatten. Rings um uns herum kein Haus, kein Supermarkt
oder irgendein Zeichen von Leben; außer einer endlos langen Straße.
Allmählich wurden die Anderen wach, von der heißen Sonne geweckt
und machten sich gleich daran aufzustehen und ihre Sachen zu packen.
Ein fröhliches "Guten Morgen" ertönte! Andi schon hellwach und
bereit sich dem Tag zu stellen, zog den Reißverschluß von unserem
Zelt auf und wußte wahrscheinlich, daß wir oder zumindest ich,
so aussahen, wie wir uns fühlten - müde und erschöpft. Dazu kam
noch Hunger und zu wissen, daß es zum Frühstück nur Dosenfrüchte
gab. Warum auch nicht, es schließlich eine Abwechslung! Nach einigen
Minuten, in denen Sarah und ich überlegten, ob wir zuerst frühstücken
oder ob es sinnvoller wäre wir würden erst alles abbauen, Fahrräder
bepacken und dann frühstücken, einigten wir uns darauf, erst die
Arbeit und dann das Vergnügen, in unserem Fall das Frühstück..
Also dann, los geht's! Heringe raus, Zeltplane runter (es lief
immer besser, allerdings wurden die Heringe auf merkwürdige Weise
immer weniger), Zelt umdrehen, damit der gesammte Dreck keine
Chance hat, sich abends in unsere Schlafsäcke zu mogeln, Zelt
wieder umdrehen und so weiter und so fort.... . Da saßen wir nun:
Andi, Trystan, Daniel, David, Cosi, Sarah und ich. Die gesamte
Mannschaft war versammelt. Wir müssen ein ziemlich merkwürdiges
Bild abgegeben haben und die paar wenigen Autofahrer haben sich
bestimmt einiges gedacht. Wie wir so dasaßen, im Schneidersitz,
jeder eine Dose in der Hand und versuchten mit einem Messer, weil
im Moment keine Gabel in greifbarer Nähe ist, die Früchte aus
der Dose zu essen, naja.....das waren eben WIR!!! Nachdem wir
fertig waren besprachen wir noch die Route, wo und und wann wir
uns treffen wollten. Geschlafen hatten wir in Essex, weiter sollte
es nach Amboz gehen, 34 Meilen von unserem Schlafplatz entfernt.
Nach einem kurzen Abstecher beim Schrottplatz kehrte ich mit zwei
neu erworbenen "Prachstücken" zurück. Unsere Vorreiter Andi, Daniel,
David und Trystan machten sich nun auf den Weg, dicht gefolgt
von Cosi. Das Schlußlicht bildeten Sarah und ich. Noch ein letzter
Blick, hatten wir auch nichts vergessen? Da fuhren wir nun auf
der Straße, die keine Ende zu nehmen schien. Er war jetzt, gegen
11 Uhr, schon so heiß, daß ich mir wünschte, es würde doch mal
etwas kälter werden!? Oh! Was ist denn das da vorne? Ah ja, ich
glaube da warten die Anderen schon auf uns. Endlich eine Pause,
dachte ich, denn die 54 km waren doch etwas anstrengend gewesen.
Nach ein paar labbrigen French Fries klärte Andi uns nun über
den weiteren Ablauf auf. Das konnte doch nur ein Witz sein, ich
traute meinen Ohren nicht. Ein Paß? 75 km? Ich glaubte, ich hatte
mich echt verhört. Hatten wir doch bereits 54 km und jetzt nochmal
75? Mir wurde irgendwie schlecht, obwohl ich nicht weiß, ob von
den Pommes oder von der Nachricht. Klar, ich ließ es mir nicht
anmerken....aber irgendwie war es doch auch eine Herausforderung
und außerdem mußte ich beweisen, daß ein Mädchen das auch schaffen
kann, wenn es nur wirklich will. Denn 130 km zu fahren ist schon
geil. Man fühlt sich nachher zwar total zum kostzen, aber man
ist auch froh, daß man es geschafft hat. Da Sarah ja Probleme
mit ihrem Finger hatte und Antibiotika bekam meinte Andi, es wäre
wohl besser für sie, wenn sie trampen würde. Aber nicht alleine,
sondern zu zweit. Jetzt stellte sich für mich die Frage trampen
oder fahren? (Cosi hatte vorhin auf Andis Frage unvorsichtigerweise
und nichts ahnend getönt, daß sie sich prima fühle; deshalb hatte
ich jetzt die Wahl.) Wenn ich daran dachte, was mich erwartete,
dann wollte ich doch lieber trampen. Aber trampen war irgendwie
auch Scheiße! Nach ein paar Minuten teilte ich Andi meine Meinung
mit: "Ich trampe mit Sarah nach Twentynine Palms!" Aber leider
verhielt Andi nicht so, wie ich es erwartet hatte. Denn er sagte,
ich solle doch lieber fahren und daß ich nachher enttäuscht wäre,
weil ich getrampt bin. Scheiß...was soll ich bloß machen? Andi
nahm mir die Entscheidung noch kurzzeitig ab: "Laßt uns erst einmal
etwas näher an den Paß heran fahren, dann sehen wir weiter." An
der Stelle, wo Sarah trampen sollte, entschied ich mich doch wieder
anders: "Ich weiß nicht, ob ich es schaffe, aber ich fahre nun
doch mit." Cosi freute sich natürlich doppelt, weil sie nun mit
Sarah trampen konnte. Ausgerüstet mit Cosis Camelback, brechen
wir auf (hier nochmal ein besonders dickes Dankeschön an Cosi,
denn ohne Camelback wäre ich wahrscheinlich verdurstet). Schon
bald überholte uns ein Auto. Hinten drauf zwei lachende Mädchen,
Cosi und Sarah. Nach ein paar Kilometern erklärte ich Andi, sie
sollten nicht auf mich warten, denn ich wolle lieber alleine fahren.
Die Straße war endlos. Man sah in der Ferne, wie sie sich langsam
den Berg hochschlängelte. Eine halbe Stunde später war ich allein.
Die Anderen weit voraus, aber ich hatte es ja so gewollt! Schon
bald bereute ich es. Es war heiß, trocken und mir war schlecht,
weil ich genau wußte, daß es die ganze Zeit so weitergehen würde.
Ich mußte alle 100 Meter anhalten, weil ich nicht mehr konnte,
es war zu heiß!!! Ich weiß nicht, wie oft ich mich an diesem Tag
gefragt habe, wieso ich diese Scheiße überhaupt mache.Oft habe
ich mir gewünscht, daß ich wieder zu Hause wäre, zwecklos, ich
stand hier am Straßenrand und fing an zu heulen. Heulte, weil
ich nicht mehr konnte, weil weit und breit keine Möglichkeit war,
etwas Schatten zu erhaschen und ich nich hätte ohrfeigen können,
daß ich nicht getrampt bin. Ich weiß nicht genau, ob Ihr Euch
das vorstellen könnt, wie es ist, wenn man nicht mehr richtig
atmen kann, weil man ständig das Gefühl hat, man bekommt keine
Luft mehr. Ich habe mir oft an diesem Tag überlegt, ob ich nicht
einfach alleine trampen sollte... . Nein, ich wollte fahren, ich
mußte es schaffen. Ein Zeitgefühl hatte ich schon längst nicht
mehr. Ich war nur noch damit beschäftigt zu fahren, fahren um
anzukommen. Irgendwann sah ich David unter einem Baum sitzen.
Ich schmiß mein Fahrrad an den Straßenrand und setzte mich dazu.
Ich erzählte ihm von meinen Schwierigkeiten, außerdem von meinem
Platten, den ich unterwegs noch hatte. Inzwischen der 12. oder
13. . Deswegen nannten mich alle nur noch "Flat Tire Queen" (Plattenkönigin).
David fuhr dann weiter, irgendwann machte ich mich auch wieder
auf den Weg. Später sah ich Andi und David am Straßenrand stehen,
David hatte ebenfalls einen Platten. Andi rief mir im Vorbeifahren
zu: "Nur noch 10 Meilen, dann hast Du es geschafft!" 10 Meilen
nur noch, daß packe ich doch dann auch noch, dachte ich... Ich
weiß nicht genau, wann wir in Twentynine Palms ankamen, ich weiß
nur noch, daß ich mich total gut fühlte, als ich endlich diesen
verdammten Pizza Hut gefunden hatte, wo wir uns alle treffen wollten.
Cosi und Sarah waren schon etliche Stunden vor uns dort angekommen.
Als wir dann alle dort saßen und reichlichst Pizza verschlungen
hatten, war ich echt froh und vor allem stolz auf mich, ich hatte
es geschafft, 129,6 km durch die Wüste! Ich hätte die ganze Welt
umarmen können!!!
Livi
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