Jutta Raisch/ Hans Schlepple, Am Heiligenbrunnen 25, 72581 Dettingen
......................03.11.2002
Betr.: Schule unterwegs/ 90 Tage mit dem Fahrrad durch Amerika
Zu der von Andi Schier vom 16.08 bis 15.11.1997 mit 6 Schülern
durchgeführten Reise möchten wir als Eltern aus unserer Sicht
einige Bemerkungen machen:
Livia, die bis dahin oft zurückhaltend und Mutter orientiert war,
kam im Sommer 1997 von der Schule und erzählte von der Möglichkeit,
3 Monate mit Gleichgesinnten und Andi Schier als Betreuer durch
die USA zu radeln. Einige von ihrer Schule wollten dies machen,
und sie wollte ebenfalls dabei sein.
Wir konnten dies zunächst überhaupt nicht glauben, und spätestens
als alle Mitschüler der Waldorfschule Engelberg abgesagt hatten,
schien für uns die Sache erledigt. Aus uns bis heute unerklärlichen
Gründen wollte Livia aber weiterhin an der Tour teilnehmen. So
begannen die Vorbereitungen, wobei wir bis zum Abflug konkrete
Zweifel hatten, ob Livia nicht doch "in letzter Minute abspringen
würde". Wir fuhren hin und wieder Rad, wobei das Training aus
unserer Sicht ganz einfach mangelhaft war.
Als es dann endlich so weit war, schickten wir die 15 jährige
Livia auf eine auch für uns unvorstellbare Reise, hatten für 3
Monate schriftlich die Erziehungsberechtigung abgegeben und ein
mindestens so flaues Gefühl im Magen wie sie selbst. Außer den
wenigen Briefen, aus denen nicht nur Begeisterung zu erkennen
war, hatten wir 3 Monate keinerlei Kontakt zu Livia. In dieser
Zeit gab es viele Diskussionen, ob das richtig war, was wir gemacht
hatten, ob der Gefahren, der langen Zeit und ob diese physische
und psychische Belastung einem so jungen Menschen zuzumuten ist.
Wir denken auch heute noch, daß die Anforderungen extrem hoch
waren. Dies bestätigte uns Livia dadurch, daß sie nach der Reise
immer nur relativ kurz und nur in Auszügen von der Tour erzählte.
Erst gestern, also nach 5 Jahren!!, erzählte sie 3 Stunden von
der Tour nach einem Anruf von Andi. Das zeigt uns, daß Livia lange
und sicher zurecht der Auffassung war, daß wir Außenstehende die
Gedanken und Gefühle während einer solchen Tour nicht richtig
verstehen würden. Dennoch ist Livia auch heute der Auffassung,
daß diese Reise für sie sehr wichtig war, daß sie, um das pädagogische
Ziel zu erreichen, auch nicht kürzer, komfortabler oder weniger
strapaziös sein darf.
Sie wurde durch diese Reise sehr geprägt und lebt heute alleine
in Düsseldorf, wo sie vor einem Jahr eine Lehre zur Bühnenmalerin
begann. Dort hat sie bereits nach einem halben Jahr vollkommen
selbständig ohne unsere Hilfe ihren Umzug in eine schönere Wohnung
organisiert. Dies wäre für uns ohne diese Reise unvorstellbar.
Letztendlich aber steht und fällt der Erfolg mit dem Reiselehrer.
3 Monate sechs 15/16 Jährige bei enormer körperlicher und seelischer
Belastung (und wie wir heute wissen waren die Jugendlichen ja
oft auf sich alleine gestellt, das Essen war, vorsichtig ausgedrückt
einfach - Anm. Andi: meist gab es abends Nudeln) bei der Stange
zu halten, ihnen Lehrer zu sein und Kamerad, sie zu motivieren
und dazu zu bringen sich selbst zu motivieren, das verlangt viel
Einsatz, Enthusiasmus und eine glückliche Hand.
Wir wollen uns bei Andi Schier bedanken, und so sehr wir damals
von Ängsten und Zweifeln geplagt waren, so sehr wünschen wir heute,
daß noch viele Heranwachsende eine solche Herausforderung und
Chance erhalten.
Für Fragen sind wir erreichbar unter: 07123-888 551
Livia; Hans, Jutta
Anm. Andi: Bei dieser ersten Radtour, der Pionierfahrt, habe
ich die Entscheidung über die jeweils zu fahrenden Tageskilometer
oft den Jugendlichen überlassen. Die drei Jungs haben fast immer
für sehr unregelmäßiges Fahren plädiert, so daß wir oft über 100
km am Tag gefahren sind. In der Nachbetrachtung fand ich dies
gerade für die Mädchen als zu unrhythmisch und schwierig, so daß
seitdem die Tagesetappen - nach der Eingewöhnungsphase - zwischen
80 und 100 km liegen. Die Gesamtkilometerzahl ändert sich dadurch
nicht. Und wer größere Herausforderungen möchte, kann diese ohne
Probleme und in reichlichem Umfang haben....
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