24 Stunden Solo
Andi hatte uns vorgeschlagen ein 24 Stunden Solo zu machen.
Das bedeutet an einem bestimmten Ort in einem bestimmten Kreis
24 Stunden zu bleiben, ohne mit irgend einem Menschen in Kontakt
zu kommen. Dies ist angelehnt an die Rituale der Indianer, in
deren Gebiet wir uns ja eigentlich aufhielten. Wenn ein Indianer
zu einem Man werden wollte, mußte er für eine bestimmte Zeit in
die Wildnis und eine Art Prüfung bestehen. Wir, die Gruppe, hatten
uns entschlossen ein Solo zu machen und so suchten wir einen geeigneten
Platz. Den fanden wir auf Vancouver Island. Nachdem wir uns mit
genügend Essen eingedeckt hatten, suchten wir uns jeder einen
Platz, von dem aus man niemanden sehen konnte. Anschließend erzählte
uns Andi noch etwas über diese Tradition und wir gingen nun, ohne
etwas zum schreiben, lesen oder irgend etwas anderes, mit dem
wir uns beschäftigen konnten, an unsere ausgesuchten Plätze -
um nun 24 Stunden dort zu bleiben. In den ersten Stunden dachte
ich, ich könnte das niemals aushalten und mir war es total langweilig.
Ich machte Liegestützen und alles mögliche um die Zeit tot zu
schlagen, bis ich ziemlich früh in meinen Schlafsack kroch und
schlafen ging. Ich weis nicht, wann ich schlafen ging, denn wir
mußten auch unsere Uhren bei Andi lassen. Ich hatte mir aber den
Stand der Schatten gemerkt, an dem die 24 Stunden vorbei sein
mußten. Am nächsten Morgen blieb ich noch lange in meinem Schlafsack
liegen, bis ich schließlich frühstückte. Irgendwie war an diesem
Tag die Langeweile einfach nicht mehr da. Ich schaute den Vögeln
zu, dem Lauf des Wassers, an dem ich meinen Platz ausgesucht hatte.
Ich sah viele Tiere, die ich wahrscheinlich sonst gar nicht wahrgenommen
hätte und beobachtete sie eine lange Zeit. Natürlich dachte ich
auch viel nach, aber es war nichts wichtiges. Ich weiß eigentlich
bis heute nicht, wie ich diese Zeit ohne Langeweile hinter mich
gebracht habe. Als uns Andi wieder abgeholt hatte, setzten wir
uns alle zusammen und berichteten von unseren Erlebnissen. Alle
empfanden es einstimmig als ein tolles Erlebnis und wir nahmen
uns vor, noch einmal ein Solo zu machen, das etwas länger dauern
sollte. Leider kamen wir nicht mehr dazu. Es ist auf jeden Fall
ein Erlebnis gewesen, wozu ich jedem raten kann. Leider ist dies
in dem Alltagsleben unserer Gesellschaft nur sehr schwer möglich.
Doch wenn jemand irgendwann die Möglichkeit haben sollte dies
zu tun, sollte er es auf jedem Fall machen.
Schweigen
Eine andere Sache, die wir machen wollten, war das Schweigen
- wie es Gandhi in den letzten 25 Jahren seines Lebens tat. Er
schwieg jeden Montag. Mit dem Wochentag nahmen wir es nicht so
genau. Wenn jemand schweigen wollte, kündigte er es am Abend davor
an, damit alle Bescheid wußten. Bei meinem Versuch merkte ich
schnell, daß dies schwieriger war als ich mir vorgestellt hatte
und schaffte es nicht. Heute bereue ich, daß ich es nicht noch
ein zweites Mal versucht habe. Es wäre wesentlich einfacher gewesen,
als es nun zurück im Alltag zu machen. Ich habe mir aber vorgenommen,
es irgendwann zu schaffen.
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