Zuerst die Plattenköniginwertung. Dorit und Gloria liegen
mit jeweils 6 vorne, dicht gefolgt von Janosch und Simon mit 5.
Im "Mittelfeld" meiner einer mit 4 und Korbinian mit
3. Zu guter Letzt Lisa und Veronika mit jeweils nur einem Platten.
In der letzten Woche mussten wir des Öfteren nach Süden
fahren bzw. auch ein Seitenwind bei Westfahrten ist nicht gerade
lecker. Das altbekannte Sprichwort "Der frühe Radler
vermeidet den Wind" paßt zwar leider nicht immer, bringt
aber doch einiges; wobei Janosch und ich uns dafür auch schon
vor 7 Uhr aus dem Schlafsack schälen. Das mag nun nicht so
früh klingen, aber um die Zeit ist es hier oft noch sehr
kühl, so dass auch schon mal die dicken Socken als Handschuhe
herhalten müssen.
Von Tuba City - Navajo Reservat - nach Bacavi und Hotvilla - Hopi
Reservat- auf der 264 in Arizona ist so ein Tag. Kräftiger
Südwind und wir wind im Schnitt mit 10 bis 11 Stundenkilometern
unterwegs. "Glücklicherweise wird er erst gegen Mittag
richtig heftig, so dass ich schon im Sandgestöber vor der
kleinen Tankstelle sitze, während Janosch und Korbinian am
frühen Nachmittag eintreffen und die anderen am späten.
Ich empfange alle mit einer kalten Dose Cola, der aufgerissene
12-Pack darf netterweise im Kühlfach bleiben!
Es gibt dabei mehrere nette Gespräche und ich darf meinen
Kaffee nicht bezahlen. Die Situation ist auch deshalb etwas besonderes,
weil die Tankstelle an der Durchgangsstrasse nicht angeschlagen
ist. Es ergibt sich auch ein Übernachtungsplatz in Bacavi,
in einem zur Zeit leer stehenden Haus - weil der Bewohner gerade
auf öffentliche Kosten ein anderes Zimmer hat; allerdings
auf Kosten vieler Freiheiten. Egal, sein Bruder ist sehr nett,
hat aber auch ein paar Schönheitsfehler. Allerdings keine,
die Bedenken erzeugen, sondern nur leicht unangenehm sind.
Da spricht er beispielsweise davon, dass wir heiß duschen
können, mit Durchlauferhitzer. Und dann stellt sich heraus,
dass es nur kaltes Wasser gibt. Wäre ja auch der Hammer gewesen,
nach 19 Tagen die erste Dusche und dann noch heiß. Kalt
ist dafür richtig erfrischend. Wir bleiben dann noch für
einen weiteren Tag, ich hatte frühzeitig auch schon 30 Dollar
abgedrückt, als unser Gastgeber noch Lisa gegenüber
tönte, dass sie umsonst heiß duschen dürfte.
Die Hälfte von uns ist dann mit zu versteckten Ruinen gegangen.
Korbinian und ich verstehen dafür zu viel englisch - unser
"Plastikindianer" nervt dann zuviel, aber die anderen
kamen mit leuchtenden Augen wieder. Abends lese ich dann Veronika,
Gloria und Lisa ein Kinderbuch über die Hopis vor. Ansonsten
ist es auch gar nicht so einfach Infos zu bekommen, weil alle
nicht Hopis weder auf öffentlichen Fußpfaden gehen
dürfen noch Fotos, Sketche oder Tonaufnahmen machen dürfen.
Abends hören wir dann Trommeln und Singen aus einer Kiva
- ein hauptsächlich unter der Erde liegender Raum - als Vorbereitung
für einen Tanz in der nächsten Woche. Es gibt auch reichlich
Galerien, aber selbst im Museum darf man Bücher nicht öffnen,
so dass ich mir meinen Schmuck lieber bei den Navajos kaufe.
Aber, es ist höchst interessant und besonders die Begegnungen
mit den Menschen an der Tankstelle waren sehr schön.
Das Hopireservat ist umschlossen vom Navajoreservat, aber umschließt
wiederum ein kleines Navajoreservat. Dort erhalten wir eine besondere
Einladung, der wir nicht widerstehen können: Teilnahme an
einer Schwitzhütte (sweat lodge).
Eddie, unser Gastgeber, lebt in einem Hogan. Dies ist ein runder
- heutzutage oft 8-eckiger - Bau. Eddies hat 8 Ecken und einen
Ofen in der Mitte. Es ist, als wenn man 8 Zimmer hat, Flur, Küche,
Esszimmer, Schlafzimmer, Wohnzimmer, Büro- und Werkstatt.
Yup, Badezimmer habe ich nicht erwähnt, da wird an einer
Seite etwas angebaut.
Kaum zu glauben, aber in der Nähe waren Anaszasi-Ruinen (das
bedeutet "die Alten" in Navajo, von den Anaszasi ist
kaum etwas bekannt, sie verschwanden vor ca. 700 bis 800 Jahren).
Es gibt so viele Tonscherben, allerdings leider in einem größeren
Bereich verteilt. Besonders Janosch ist kaum zu bremsen, den Blick
zum Boden, zielgerichtet auf bemalte Topfreste und schöne
Steine.
Wie so oft schlafen während der beiden Nächte die Mädchen
in ihren Zelten, die Jungs draußen. Temperaturen bis an
den Gefrierpunkt sind schon okay, meist geht es nur auf 4, 5 Grad
runter.
Über Eddie könnte man viel erzählen, wie z. B.
die Zeit im Internat und bei christlichen Pflegeeltern; im letzten
Jahrhundert hat die Regierung lange Zeit versucht zivilisierte
Menschen aus den Indianern zu machen und sie nach westlichen Maßstäben
und Unterdrückung der eigenen Kultur und Sprache erzogen.
Ich habe noch mit anderen Indianern gesprochen, die Praxis, den
Mund mit Seife auszuwaschen, weil Navajo gesprochen wurde oder
die Benutzung der Peitsche als Bestrafung hat in solchen Internaten
bis Anfang der 70er Jahre statt gefunden.
Heutzutage lebt Eddie von seiner Rente - mit 14 ging er zur Armee,
kämpfte 18 Monate in Vietnam - und arbeitet als Medizinmann
und Gold- und Silberschmied. Die Mädchen hatten unglaubliches
Glück. Eddie begann mit einem Armreif für Gloria und
einem Ring für Lisa. Plötzlich kam noch ein Anhänger
für Veronika und ein Ring für Dorit dazu. Ich habe leider
weit weniger Glück, denn ich bestelle bei Eddie Ohrringe
für meine Freundin, bezahle im voraus
.und erhalte nie
das versprochene Päckchen.
Am Abend unseres 22. Tages gibt es dann fast eine heiße
Dusche. Wir fühlen uns hinterher alle sauber und erfrischt.
Es ist Zeit für die Schwitzhütte. Reichlich Holz wird
über Steinen angehäuft und ein großes Feuer entfacht.
Inzwischen ist es dunkel, der Himmel eher bedeckt. Nach den heißen
Steinen erhalten wir Einzug. Wer noch nicht in einer Schwitzhütte
war, der Ablauf ist etwas unterschiedlich, abhängig vom Ursprung
des Medizinmannes oder Leiters bzw. der Teilnehmer. Ich war zweimal
mit Lakota-Sioux in einer Schwitzhütte, da war die Pfeife
sehr wichtig. Das war diesmal anders. Es wird auf jeden Fall gesungen,
gebetet, gesprochen. Dazu wird immer wieder Wasser auf die heißen
Steine gesprenkelt. Dieser Teil lässt sich ein bisschen mit
einer Sauna vergleichen, aber die Temperatur fällt und steigt
stärker und es ist vollkommen dunkel.
Wieder draußen erwartet uns ein klarer Sternenhimmel und
alle stellen sich schnell ums Feuer, denn die Temperatur ist auf
knapp 10 Grad gefallen und unsere spärliche Kleidung schweißgetränkt.
Wir machen insgesamt drei Durchgänge; eine tief beeindruckende
Erfahrung.
In den letzten Wochen vor der Fahrt war ich mehrfach in der Sauna.
Diese Art von Vorbereitung zahlt sich jetzt aus, sei es beim Schwitzen
oder bei einer kalten Dusche.
Eddies Gastfreundschaft ist groß und wir hätten noch
länger bleiben können. Aber wir befinden uns ja auf
einer Radtour und wollen weiterhin die Möglichkeit haben,
spontan einen Ruhetag - bzw. einen Tag ohne Fahrrad fahren - einzuschieben.
Und alle freuen sich auf Magdalena, meine dortigen Freunde von
der Überraschungsfahrt und natürlich unsere Post: Weihnachten
im Mai. Simon hat am 13. Geburtstag, vielleicht schaffen wir es
bis dahin.
Die 110 km nach Window Rock, Haupstadt der Navajo Nation, verlaufen
teils windunterstützt, teils windgepeitscht. Inzwischen bewegen
wir uns oft auf 2.000 Metern, an diesem Tag geht es schätzungsweise
bis auf 2.300. Wir haben inzwischen mehr rote Blutkörperchen.
In Window Rock finden wir Unterkunft bei Eddie Scott Yazzie, einem
sehr bekannten Radiokommentatoren im nahe gelegenen Gallup, New
Mexico (außerhalb der Reservate - es gibt hier u. a. noch
Apachen, Zunis, Acomas). Und dann geschieht es, nach 22 Tagen,
die erste heiße Dusche winkt. Ein bisschen Skepsis ist spürbar
- ob das Wasser wirklich heiß ist? Ja!!! Wir sind ja noch
sauber vom Schwitzen, aber mal wieder Haare waschen oder rasieren
ist ja auch schön. Und heißes Wasser hat schon was
- auch wenn ich mit kaltem aufgehört habe.
Am nächsten Morgen schlafen die Schüler lange, während
ich schon mal nach Gallup fahre. Internet in der Bibliothek, erstmals
nach 9 Tagen, Emails beantworten und schnell was für die
Seite schreiben. Eddie bei der Radiostation besuchen. Er hat da
wahrscheinlich eine Übernachtung für uns, aber das wird
ein Besuch klären. Kaum bin ich dort, holt George, ein weiterer
Kommentator, ein Tonbandgerät, um ein Interview mit mir zu
machen. Unterbrochen durch Musikstücke - und bestimmt reduziert
- wird es noch am Nachmittag gesendet. Da sind wir aber unterwegs
und ich muss bis zum Sommer warten, denn eine CD mit dem Originalinterview
und der Sendung wird mir zugeschickt
so lautet das Versprechen,
wie so oft bei Leuten von Zeitung, Rundfunk oder Fernseh, es wird
nicht gehalten.
Und ab geht es mit Eddies Wagen nach Fort Wingate. Dort befindet
sich das letzte Internat für Indianer. Allerdings ist es
heutzutage positiv zu betrachten, gilt für viele Schüler
als letzte Chance, überhaupt noch einen Abschluss zu erreichen.
Es liegt nur 25 km entfernt, hauptsächlich auf unserer Route.
Es handelt sich um eine große Anlage und die Lehrkörper
und Bürokräfte sind sehr freundlich, aber der Hauch
der Institution ist deutlich spürbar. Ich habe es in all
den Jahren in den USA noch nie erlebt, dass sich jemand als "Mr.
Soundso" vorstellt - aber die Lehrer machen es, obwohl wir
doch Kollegen sind. Ein bisschen komisch muss ich denen schon
vorkommen, beispielsweise als ich sage, dass ich nicht mein eigenes
Zimmer brauche oder letzte Nacht bei plus 1 Grad mollig und warm
draußen geschlafen habe. Egal, wir können kommen, wird
die Schüler sicherlich interessieren.
Die Fahrt ist wieder sehr kurzweilig und unser Gespräch
endet nicht sofort, als wir wieder beim Sender sind. Eddie Scott
spricht Dinge deutlich aus, spricht vielen Indianern aus dem Herzen.
So sagt er beispielsweise zu Farmern im Mittleren Westen, die
die Steuern nicht mehr bezahlen können, dass es eine gute
Erfahrung für sie ist, wenn ihnen der Staat ihr Land wegnimmt.
Oder dass am 11.9. viele Indianer gejubelt haben, weil die Weißen
erstmals vielen Jahren gespürt haben, was es bedeutet, wenn
Krieg herrscht.
Es gäbe noch viel mehr zu schreiben
Wer mehr über
die Situation der Navajos und Hopis erfahren möchte, ihre
Kulturen, aber auch ihre Schwierigkeiten den roten (und den weißen)Weg
zu gehen, dem kann ich die Romane von Tony Hillerman - Special
Friend of the Dineh (Dineh ist das Navajowort für Navajo)
- sehr ans Herz legen. Die Romane mit Joe Leaphorn und Officer
Chee sind fast alle als Taschenbücher beim Rowohlt Verlag
erschienen.
Okay, die Schüler sind natürlich begeistert, dass wir
das Internat besuchen können. Jeder wird auf einem Zimmer
mit einem Schüler/ einer Schülerin untergebracht. Es
gibt schon wieder Duschen, d. h. ich habe mein Einzelzimmer, netterweise
das Isolationszimmer genannt, dort gibt es keinen Duschhahn, aber
eine Badewanne. Wenn das kein Zeichen ist!
Die Mädchen finden richtig viel Kontakt, die Jungs weniger.
Dementsprechend die Stimmung am nächsten Morgen, nach einer
Nacht in überhitzten Zimmern: die Mädchen wollen alle
bleiben, die Jungs alle fahren. Und ich auch. Die Lösung?
Wir trennen uns für einen Tag, ich fahre mit den Jungs nach
Grants, wo Eddie Scott uns wahrscheinlich schon eine Übernachtung
besorgt hat, die Mädchen gehen zum Unterricht und kommen
am nächsten Tag nach. Treffzeit ist dann später, weil
es Zeit wird, dass die Jungs mal eine richtige Herausforderung
bekommen. Sie sind abends lange nicht so ausgelastet, fahren aber
nicht von selbst aus mehr Kilometer. Also werde ich ihnen eine
Rundfahrt gestalten. Und selber mal etwas mehr Zeit für meine
verschiedenen Aktivitäten und Überlegungen haben, plus
mal einfach etwas Ruhe.
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