10. April, 23 Uhr, Sky Harbor, Phoenix, Arizona, USA
Die Schüler liegen in ihren Schlafsäcken in einer ruhigen Ecke
des Flughafens, die bepackten Fahrräder sind durch Bänke gesichert
und ich genieße die warme Nachtluft nach den sehr kühlen Temperaturen
in Deutschland. Gestern abend haben wir uns ab 18 Uhr am Frankfurter
Flughafen getroffen, selbst Svenja aus Wiesbaden wollte sich die
erste Nacht der Reise nicht entgehen lassen, so dass wir nach
Verabschiedung der Eltern, Freunde und Ehemaligen gegen 21 Uhr
bereits vollzählig waren. Eine unruhige Nacht, mit intelligenten
Lautsprecherdurchsagen und Handwerkern, in die erst nach Mitternacht
so richtig Leben kam. Aber so mußte niemand mitten in der Nacht
aufstehen und sich morgens verschlafen verabschieden und die Reise
begann einen Tag früher.
Phoenix erreichen wir 4 Stunden später als geplant, gegen 20
Uhr, aber das macht eigentlich nichts. Wir sind unterwegs, die
Dinge passieren fließend, Änderungen können jederzeit eintreten
und wir müssen dafür viel offener sein als in den festgelegten
Bahnen zuhause. Die Schlafplatzsuche ist einfach, wir bleiben
hier.
Svenja, Julia, Pola; Raphel, Malte
Der Schweiß läuft, 64km mit vielen Pausen und wenigen Steigungen
sind ein sehr guter Anfang. Wer vorher trainiert hat, freut sich
jetzt. Pola hatte allerdings gar keine Zeit, weil sie erst eine
Woche vor Fahrtbeginn dazugekommen ist. Ein Grund mehr, es ruhig
angehen zu lassen. Andererseits möchten alle in die Natur und
die ungewöhnliche Hitzewelle ist eine Überraschung.
Der Lost Dutchman State Park hat einen Campingplatz und wir
bekommen einen ruhigen Platz, abseits der Wohnmobile. Erstmals
bauen wir unsere Zelte auf, Julia, Pola und Svenja in ihrem 2er-Zelt,
die Jungs Malte und Raphael mit ihrem großen 2er-Zelt plus Apsis.
Keine Mücken, kein Regen, da lege ich mich auf mein Innenzelt
und genieße den Sternenhimmel. Vorher erfolgt eine wichtige Besprechung
über die Regeln der Natur, hier der Wüste mit ihren Gefahren,
einschließlich Giftschlangen. Es ist wie in der Stadt, wer die
Regeln kennt und sie einhält, der hat normalerweise nichts zu
fürchten.
Am nächsten Tag kommen die ersten Steigungen, aber wir fahren
nur 25km bis zum Canyon Lake. Der Campingplatz ist fast ausgebucht,
aber in einer ruhigen Ecke direkt am Wasser finden wir noch etwas.
Ist das geil, Mitte April bei über 30 Grad in einen Stausee in
der Wüste zu springen. Die Mädchen, die kurz vorher noch über
Erschöpfung klagten, machen gleich ein Wettschwimmen!
Ende der Asphaltstraße
In der Wüste gibt es nicht so viele Straßen und wir haben uns
gleich eine besondere rausgesucht. Wir stimmt, denn ich habe drei
Routen vorgestellt und angesichts der klimatischen Verhältnisse
ist uns der hohe Norden nachts zu kalt und der tiefe Süden tagsüber
zu heiß. Na ja, heiß ist es auch hier und für den langen Anstieg
auf Asphalt am folgenden Tag und die 35km Sand- und Schotterpiste
des Apache Trails sollten wir früh aufstehen und die kühlen Morgenstunden
nützen. Aber es ist wie auf jeder Tour, ich kann das zwar vorschlagen
und erklären, aber es wird nicht ernst genommen. So auch diesmal,
wir bummeln, machen ein lange Pause und beginnen erst um halb
elf den Anstieg. Julia und Pola halten sich noch ganz gut, Svenja
macht es doch zu schaffen. Ich fahre viel neben und hinter ihr,
zur Unterstützung und um ihr klar zu machen, daß sie sich nicht
unter Druck setzen darf, sondern ihr eigenes Tempo finden muß.
Die Jungs warten hin und wieder und scheinen keine Anstrengung
zu verspüren, weil sie natürlich schon ausgeruht sind, wenn die
Mädchen bei ihnen ankommen
. Es gibt aber auch viel Aufmunterung von Auto- und Rennradfahrern.
Eine Frau bringt es auf den Punkt: "Wow! And I thought we were
tough..." Wir kommen aber doch nach oben und genießen Schatten
unter einem Dach. Unsere Wasservorräte schwinden schon deutlich
- 4 Liter pro Person sind hier nicht viel. Hin und wieder spenden
Autofahrer etwas - auf dieser Strecke braucht man keine Angst
haben, daß man verdurstet und es kommt in den nächsten Tag noch
oft vor, daß uns Wasser, aber auch literweise Gatorate geschenkt
wird.
Die Saguarokakteen sind unglaublich schön und ich genieße die
Landschaft bis zur Neige. Außerdem muß ich jetzt Pola unterstützen,
denn Svenja hat ihren Tritt gefunden, aber Pola ist die mangelnde
Vorbereitung anzumerken. Ich habe mich auch nicht vorbereitet,
aber meine Muskeln erinnern sich. Am Nachmittag steigt das Thermometer
auf 37 Grad im Schatten, wobei der praktisch nicht vorhanden ist.
Als dann oberhalb des Apache Lakes doch ein Sonnendach auftaucht,
essen wir. Der See ist nur 3 km entfernt, doch weit unter uns.
Dort gibt es einen Campingplatz, Bootsanleger und natürlich kalte
Getränke. Malte und Julia versuchen es mit trampen und wenig später
hat jeder eine eiskalte Dose Coke in der Hand!
Sonora-Wüste
Schließlich kommen wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit an einen
Sandstrand, an dem bereits einige Leute mit Pick-ups zelten. Sofort
wird uns Wasser angeboten und ich sammle unsere leeren Behälter
ein, um im nächsten Ort Nachschub zu holen. Privat natürlich,
und neben 20 Litern Wasser bekomme ich noch einige Lebensmitteln
von einer faszinierten Gruppe von Rentnern. 30km und zwei Stunden
später komme ich zurück und finde ein unerwartetes Bild vor: "Andi,
wir brauchten nicht zu kochen, sind eingeladen worden, Steak und
Pommes und eiskalte Getränke, es war so lecker und wir sind so
vollgegessen. Die Steaks und Pommes sind leider alle, aber du
kannst noch Hot-Dogs und Kartoffelchips haben." Zu einem Steak
hätte ich auch nicht nein gesagt, aber ich freue mich vor allem,
daß sich das alte Erlebnis gleich wiederholt hat: Wenn es richtig
schwer ist, dann tauchen früher oder später die tollsten Begegnungen
auf.
Morgen kommen wir wieder auf Asphaltstraßen, aber der Apache
Trail hat sich trotz aller Anstrengung gelohnt und wird mit seiner
Schönheit eine der besten Erinnerungen der Fahrt werden.
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