Magdalena

Wer kennt Magdalena in New Mexico? Es ist ein 1.000 Seelen Städtchen, auf dem Hochplateau westlich des Rio Grande gelegen, mit einer Bevölkerung, die sich zu gleichen Teilen aus Weißen, Mexikanern und Navajo-Indianern zusammensetzt. Dort sitzen wir vor dem kleinen Supermarkt oder stöbern im Gebrauchtbuchladen gegenüber, zufrieden mit der Welt nach gut 14 Tagen unterwegs.

Da nähert sich uns so ein langhaariger Schlacks, unrasiert, mit offenem Gesicht und ruhigen, sympathischen Augen. Stellt uns ein paar Fragen, aber nicht nur die üblichen, und nach einiger Zeit erzählt er auch ein bißchen. Omar ist sein Name, Christine der seiner Frau, sie haben sich beim Peace Corp in Afrika kennengelernt, Radtouren in Europa gemacht und seit Jahren leben sie sehr zufrieden in Magdalena. Ach ja, Omar ist auch Lehrer, an der Oberstufe der Reservatsschule. Ob wir vielleicht noch einen Übernachtungsplatz brauchen? Sie hätten da neben ihrem Haus ein Häuschen, das sie gerade herrichten, da drin können wir schlafen. Wir nehmen an.!

 

Wir folgen seinem alten 02er BMW - hier regnet es halt selten und da rosten die Autos nicht viel. Omar brauchte Christine erst gar nicht fragen, wir sind herzlich willkommen, obwohl sie im 5. Monat schwanger ist. Das Häuschen reicht uns völlig, auch wenn es weder Strom noch fließend Wasser gibt - aber man kann ja nachkippen und als es verstopft, machen sich die Schuldigen zusammen an die Rettungsaktion. Duschen dürfen wir natürlich auch, und die Einladung erstreckt sich schnell auf ein paar Tage. Abends fahren wir mit dem Pick-up (wen stört es hier, wenn 6 Leute hinten fahren?) auf einen Hügel, um die Sterne besser betrachten zu können: 5 Planeten befinden sich in einer Linie!

Morgens bin ich dann der einzige, der früh aufsteht und die 2 zu Omars Gartenbauprojekt begleitet. Eigentlich ist er Mathematiklehrer, aber nach 9 Jahren findet er es nicht mehr so spannend, also hat er Geschichte dazu genommen -indianische Geschichte - und mit Gartenbau begonnen. Wem das alte Feld gehört ist weiterhin nicht klar, aber er darf es nutzen und auch den Teich, der mit einem alten Irrigationssystem ausgerüstet ist. Den Samen spendet die Gesundheitsklinik. Warum? 25% der Navajos sind zuckerkrank, aber kaum einer geht zur Vorsorgeuntersuchung. Gemüse aus dem Supermarkt kaufen sie nicht, Fettleibigkeit ist noch stärker verbreitet als unter den weißen Amerikanern. Aber das von Omar und seinen Schülern organisch angepflanzte Gemüse - teils traditionell, wie Navajo-Mais - ist sehr begehrt und verkauft sich wunderbar. Während der Erntezeit gibt es einen "Zuckertag" in der Klinik und wer sich erstmals untersuchen läßt, bekommt einen Gutschein für ein paar Pfund von dem begehrten Gemüse.


Indianerreservat

Wir arbeiten einige Stunden mit Schaufeln und bereiten eine der schönsten Aktionen vor, das erste Wässern des neuen Feldes. Langsam kommt das Wasser angeplätschert, verteilt sich auf drei offene Gräben, füllt sie langsam und wird auf die nächsten drei umgelenkt. Dieser Teil will gekonnt sein, denn man muß lange stehen und beobachten, da ist es schon wichtig, das Kinn so auf die Schaufel aufzulegen, das der Rücken sich nicht verkrampft. So langsam kommen noch ein paar Schüler und ein Vater, mit dem ich mich in aller Ruhe unterhalte - also mit ausgedehnten Pausen. Aber hochinteressant, vor allem, weil er Priester ist. Irgendwann ist auch dieser Teil der Arbeit beendet und wir schreiten zum letzten Programmpunkt: Barbecue. Holz und Feuerstelle sind da, Getränke, Fleisch und Pommes hat Omar mitgebracht, alles andere zu Hause vergessen. Aber man kann ja auch die Steaks von Hand umdrehen, es geht auch mal ohne Paprika und Zwiebeln, aus dem Müll lassen sich brauchbare Teller machen und die gute Laune wird durch unsere Witze noch besser.

Zurück in Magdalena erfahren wir, dass Raphael, Pola und Malte ausgiebig an der Matratze gehorcht haben, während Svenska und Julia - Svenja hat so schöne, lange, blonde Haare und ihr Name erinnert auch an Schweden, also habe ich angefangen sie an Steigungen durch "Svenska"-Rufe zu "vorwärts zu peitschen". Inzwischen gefällt ihr der Name auch und bei der WM gehört ihr Herz neben der deutschen Mannschaft nur einem Team: SVERIGE - in der örtlichen Kirche waren. Etwa ein Dutzend älterer Frauen war begeistert von so viel Jugend und Anmut und hat sie gleich noch zum Essen eingeladen. Die beiden sind mit, haben aber innerlich etwas gezittert, weil sie nicht wußten, wie denn die Einladung zu verstehen ist - Geld hatten sie nicht dabei; spülen mußten sie dann aber auch nicht.

Am Nachmittag steht schon wieder etwas an. Omar und Christine haben drei Pferde, mit denen sie auch einmal im Jahr auf Elchjagd gehen. Das kostet nicht viel für Einheimische und versorgt sie für ein Jahr mit bestem Fleisch. Wir wollen nicht auf die Jagd gehen, sondern einfach reiten. Die Pferdepflege ist besonders wichtig und ich überlasse diesen Teil der Jugend, um mich etwas von der harten Feldarbeit zu erholen. Der Reitunterricht selbst findet auf der Rodeoanlage statt. Sieht ja lässig aus, aber ich finde es knallhart, wenn beim Trab die Zähne aufeinander schlagen und das Hinterteil weichgeklopft wird. Julia hat ein ansteckendes Lächeln auf dem Gesicht und wird zwar fast abgeworfen, als ihr Pferd durchgeht, aber das Lächeln bleibt. Svenska liebt Pferde und ist ebenso wie Malte enttäuscht, als es dunkel wird und die Pferde langsam Ruhe brauchen - wir sind schließlich nur am Anfang auf dem Rodeogelände geblieben.

Abends sitzen wir gemütlich zusammen und planen den morgigen Tag, Montag, wo wir Omar zur Schule begleiten werden. 6 Uhr aufstehen und fast eine Stunde Auto fahren sind nicht der Hit, aber wir werden freundlich empfangen und die Schüler werden indianischen Schülern zugeordnet, um sie den Tag lang zu begleiten. Das Urteil überrascht dann auf den ersten Blick: "Hier macht keiner Hausaufgaben, es wird nur gequatscht, fast alle sind unmotiviert." Ja, den Indianern haben die letzten zweihundert Jahre sehr zugesetzt und es wird noch lange dauern, bis sie ihren Weg gefunden haben.

Abends gibt es dann einen weiteren Höhepunkt: Elchbraten. Zur Freude der Jungs - okay, ich war auch dabei - sagen Pola und Julia gleich, daß sie bestimmt nicht Elch essen werden. Aber auf einmal überlegt es sich Pola anders, probiert vorsichtig und lädt sich ein gutes Stück Braten auf. Julia ist empört, wagt dann aber auch einen Bissen - und ist ebenfalls bekehrt. Glücklicherweise ist reichlich da. Ich nehme ein zweites Mal nach, es schmeckt so gut, da esse ich einfach so viel, bis ich wirklich nicht mehr kann!


Steve und sein Jagdfalke

Wir bleiben noch einen Tag. Zwar haben wir die Bodios auf dem Rodeoplatz kennengelernt, aber noch nicht besucht. Steve ist Naturschriftsteller und besitzt einen Jagdfalken. Libby arbeitet bei der Post, ihr Sohn Jonathan leitet Wildwasserfahrten in den Rockies. Vorher beantworte ich noch eine oft gestellte Frage: "Andi, hast du schon einen Namen für die Fahrt?" Nomen est omen, das will gut überlegt sein. Wir ziehen uns in "unseren" Garten zurück und ich lasse noch etwas raten, bevor ich mit dem Namen rausrücke. Alle sind begeistert und finden es auch einleuchtend, neben den vielen positiven Überraschungen gab es ja auch die ungewöhnliche Hitzewelle, den steinigen Pfad zu den San Francisco Hot Springs und anderes. Passend dazu erkläre ich, daß ich noch etwas zu tun habe und möglicherweise noch zu den Bodios nachkomme. - "Was?" - "Überraschung!"

Diese Überraschung habe ich schon seit Monaten geplant. Ich fahre mit dem Fahrrad nach Socorro und hole unseren Besuch vom Bus ab. Es ist Conni, ein gute, alte Freundin und freischaffende Malerin (www.grasblau.de). Sie reist auch liebend gerne und hat schon öfter mit dem Gedanken gespielt für ein paar Wochen mitzukommen. Endlich klappt es und ich freue mich auf die Gesichter meiner Schüler, die keinen blassen Schimmer haben. Gleichzeitig bin ich mir sicher, daß Conni gut aufgenommen wird und zu uns paßt. Bei der ersten Begegnung dauert es auch nur Sekunden, bis Conni mit Fragen überfallen wird. Ich bin ganz froh, daß für zwei Wochen ein anderer Erwachsener da ist, den man löchern kann.

Damit steht der letzte Abend in Magdalena an und was machen wir? Richtig, B-B-Q - manche sagen auch grillen. Ich habe in Socorro Fleisch besorgt und überraschend kommen noch ein paar "Fire Fighter" - Feuerwehrleute, die vor allem bei Waldbränden im Einsatz sind - zu Besuch. Einer ist Indianer, ein alter Schüler von Omar, mit dem Omar liebend gern auf die Jagd geht: "Da bekomme ich endlich mal mit, wieviel Tiere ich normalerweise nicht sehe." Er kennt sich auch mit Holz hacken aus und nimmt Svenska gleich mal in die Lehre. Der Abend ist noch einmal herrlich und wir können unser Glück nicht fassen, diese lieben Menschen getroffen zu haben. Vielen Dank! Und alles Gute für das Ungeborene, Christine und Omar!


"Hausfrau" bei der Arbeit

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